Band 19
Haridi, Alexander
Das Paradigma der "islamischen Zivilisation" – oder die Begründung der deutschen Islamwissenschaft durch Carl Heinrich Becker (1876-1933)
Eine wissenschaftsgeschichtliche Untersuchung
2005. 204 Seiten – 155 x 225 mm. Kartoniert
ISBN 978-3-89913-445-2
Die deutsche Islamwissenschaft hat sich mit ihrer Wissenschaftsgeschichte bislang nicht systematisch beschäftigt. Auch die durch Edward Said ausgelöste Orientalismus-Kritik hat bislang nicht dazu geführt, dass die weltanschaulichen Voraussetzungen und konstituierenden Bedingungen des Faches in Deutschland systematisch untersucht wurden.
Die vorliegende Studie versucht eine solche Kritik und setzt an Person und Werk von Carl Heinrich Becker (1876-1933) an. Beckers Wirken ist vielfältig: Er ist ausgebildeter Semitist, wirkte als preussischer Kultusminister, schrieb zu kulturphilosophischen Fragen, war aktiv in der Kolonialpolitik - wird aber in der Islamwissenschaft vor allem als "Kulturhistoriker" erinnert. Auf Beckers Betreiben wurden islamwissenschaftliche Lehrstühle an Hochschulen in Hamburg, Berlin und Bonn gegründet.
Beckers diverse Schriften werden nun zum ersten Mal in ihrer Gesamtheit gelesen. Daraus ergibt sich ein neuer Befund: Becker hat die "Wissenschaft vom Islam" nicht nur institutionenpolitisch als autonome Disziplin begründet, sondern auch fachlich fundiert: Durch sein Konzept vom Islam als "Zivilisation" tritt die Suche nach der transzendenten Wahrheit endgültig zurück zugunsten der historischen Wahrheit. Im Zusammenhang mit den zeitgenössischen kolonialpolitischen Erfordernissen ergibt sich dadurch nicht nur die Öffnung für die Beschäftigung mit Gegenwartsfragen, sondern auch eine kulturtheoretische Umdeutung des Islam. Was Becker dem Islam an Dynamik zugesteht, wird freilich durch eine Essentialisierung des Orients an anderer Stelle wieder genommen. Beckers Konzept der europäischen Moderne ist unmittelbar von der Abgrenzung gegen den Orient abhängig.
Die Studie entwickelt ihre Argumentation zunächst aus der immanenten Analyse von Beckers Schriften, stellt sie dann aber in den Kontext der Debatte um das Kulturproblem in der deutschen Geisteswissenschaft um die Wende des 20. Jahrhunderts. Dann verfolgt sie die Rezeption von Beckers Ideen in den nachfolgenden Schülergenerationen. Sie schließt ab mit einer Darstellung und kritischen Bewertung des Echos, das Becker in der deutsch-, englisch-, französisch- und arabischsprachigen Literatur gefunden hat.
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