Band 1
Kaner, Nazli
Sâmiha Ayverdi (1905-93) und die osmanische Gesellschaft
Zur Soziogenese eines ideologischen Begriffs: osmanlı
1998. 136 Seiten – 170 x 240 mm. Kartoniert
ISBN 978-3-932004-80-3
Die türkische Mystikerin und nationalistische Schriftstellerin Sâmiha Ayverdi galt in der laizistisch geprägten Türkei lange als unzeitgemäß, widmete sie doch ihr Schaffen der Wiederbelebung und Verklärung der islamisch-osmanischen Vergangenheit, die den ersten kemalistischen Generationen noch als maßgebliche Ursache für den Niedergang der türkischen Nation erschien. Die Zeiten haben sich indessen geändert: Im Zuge der allgemeinen Re-Islamisierung seit den 40er Jahren, besonders aber seit 1980, hat sich nicht nur ein politischer, sondern auch ein "kultureller" Islam in der türkischen Öffentlichkeit etablieren können, dem es weniger um Machtübernahme als vielmehr um die Verinnerlichung islamischer Werte und die Kultivierung eines auf osmanischer Tradition begründeten nationalistischen Geschichtsbewußtseins geht.
Die Studie untersucht Werk und Wirken Sâmiha Ayverdis, die mit dieser Entwicklung eng verknüpft sind und eine von außen bislang kaum wahrgenommene Facette der islamisch-nationalistischen Szene in der Türkei darstellen. Die Analyse des "Phänomens" Ayverdi, die sich selbst in eigentümlicher Verschmelzung von Fiktion und Realität zur osmanischen Zeitzeugin erklärte und von ihrem Umfeld gar zur "letzten" Osmanin stilisiert wird, zeigt, wie sich in der Türkei ideologische Inhalte im Verlauf der soziopolitischen Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte umgekehrt haben.